Kollabiert die deutsche Startup & Crowdinvesting-Szene?

Zahl der aktiven Investoren in Deutschland bricht massiv ein

Eine exklusive Auswertung des Handelsblatt zeigt: Es gibt immer weniger Risikokapitalgeber in Deutschland. Die Investitionen in Start-ups gingen 2024 um 40 Prozent zurück. Das Minus fällt damit deutlich höher aus als in Gesamteuropa und den USA, wo es bei gut 30 beziehungsweise 25 Prozent liegt.
Vielen Projekten fehlt es an Folgefinanzierungen.

Die aufkommende und sich verschärfende Wirtschaftskrise macht auch bei Sozialunternehmen und Startups nicht halt. Für 2025 sieht es ganz düster aus.

Der Zusammenbruch der sehr startup-freundlichen Regierung unter Robert Habeck ist ein großes Problem für die deutsche Startups-Szene.

Noch im September 2024 hatte das Wirtschaftsministerium und das von Staatsekretär Udo Philipp geleitete Ressort einen umfassenden Plan zur Startup-Förderung in Deutschland vorgelgt.

Dieses Vorhaben wird durch den Bruch der Koaliation jetzt nicht mehr umgesetzt werden. Das Investitionsvolumen das zuletzt in 2022, 2023 und nun in 2024 eingebrauchen ist, wird auch in 2025 massiv zurückgehen, zumindest bis Deutschland wieder eine neue Regierung hat.

Mit katastrophalen Folgen auch für die deutsche Crowdinvesting-Szene. Die hat nach einer neuen Analyse von Stiftung Warentest, hunderte Crowdinvestoren befragt zu ihren Erfahrungen mit den 16 führenden deutschen Plattformen.

Mit erschreckenden Ergebnissen.

Im Herbst 2024 zahlten 418 als Vermögensanlage aufgelegte Crowdfundings Zinsen oder die Rückzahlung nur verzögert oder gar nicht. 50% mehr als noch im Herbst 2023.

Der Zahl der Insolvenzen stieg um 30%. Die Gesamtlage ist sehr kritisch und mit der aktuellen Entwicklung am Kapitalmarkt wird sich die Lage weiter verschärfen. Das Scheitern der Koalition dürfte die Stimmung noch mehr dämpfen.

Noch krasser sind die Zahlen und der Einbruch von Investitionen in Afrika.

Risikokapital für afrikanische Startups ist um 57% gesunken

Afrikanische Start-up-Unternehmen konnten sich nur noch insgesamt 780 Mio. US-$ an Finanzierungen im ersten Halbjahr 2024 sichern, was einem Rückgang von 57 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht und das niedrigste Niveau seit Corona erreicht, so ein Bericht von Africa: The Big Deal – eine Plattform, die Einblicke in Start-up-Deals auf dem Kontinent bietet.

Harte Zeiten für afrikanische Gründer:innen - dabei sind gerade Startups in Afrika eine große Hoffnung für junge Menschen, die statt Migrationssehnsüchten Unternehmen und Arbeitsplätze in ihrer Heimat schaffen.

Das zeigt leider auch ein Bericht der FAZ über die vertanen Chancen auf dem afrikanischen Kontinent.

Afrikanische Unternehmen und Projekte haben laut dem Artikel einen Finanzierungsbedarf von rund 400 Milliarden US-Dollar.

Selbst die afrikanische Entwicklungsbank fordert daher Risikokapitalgeber auf, mehr in die Transformation Afrikas zu investieren.

Wohin geht das Geld stattdessen? Waffen, Öl- und Gas

Doch wenn nicht in Innovation, Zukunftsunternehmen oder Soziale Projekte investiert wird, wohin geht das Geld der Investoren stattdessen?

Der Aufstieg des Schwerindustriekonzerns Rheinmetall in die erste Börsenliga Dax ist das beste Beispiel. Innerhalb der vergangenen drei Jahre hat der Kurs über 400 Prozent Plus gemacht.

Vorallem in die Öl- und Gasindustrie wird investiert. Die Branche hat ihre jährlichen Investitionen für die Öl- und Gasförderung seit 2021 um mehr als 30 Prozent erhöht.

Fossile Investitionen steigen weltweit - Mehr Geld für Öl und Gas

Anleger haben weltweit 4,3 Billionen US-Dollar in fossile Industrien investiert, Öl- und Gasförderer erhöhten ihre Investitionen.

3 Likes

Startups in Deutschland in der Krise

Der Koalitationsvertrag der neuen Bundesregierung steht, doch was plant die neue Regierung für Startups zu tun? Die Insolvenzen steigen weiter, Finanzierungen sind immer schwieriger.

Stagnierende Wirtschaft, geopolitische Unsicherheiten, verschleppte Digitalisierung – die neue Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD erwarten einige Herausforderungen zur neuen Legislatur. Um diese zu bewältigen, haben sie sich am 09. April 2025 unter dem Titel "Verantwortung für Deutschland“ auf einen Koalitionsvertrag geeinigt.

Welche Maßnahmen sind darin für Startups relevant? Wie will man drängende Themen wie Finanzierungs- und Exit-Möglichkeiten, Fachkräftebedarf und Herausforderungen beim Transfer angehen?

100-Milliarden-Fonds und KI-Gigafactory – die Techpläne der neuen Bundesregierung

Erstmals wird es in Deutschland ein eigenes Digitalministerium geben. Topkandidatin für den Spitzenposten: Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus. Inhaltlich nimmt sich die schwarz-rote Koalition auch viel vor.

Ein Digitalministerium aufzubauen, ist nicht nur der langgehegte Wunschtraum der Start-up-Szene, es war auch ein Wahlversprechen von Friedrich Merz (69). Nun hat die schwarz-rote Koalition ihren Willen zum neuen Ministerium im Koalitionsvertrag bekräftigt – und die Merz-Leute haben sich gleich den Zugriff gesichert. Das neu zu schaffende Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung, wie es offiziell heißt, soll von der CDU geführt werden, auch das steht bereits fest.

Doch was ist drin für sozial orientierte Startups?

Die neue Bundesregierung übernimmt ein Vorhaben der Ampel-Regierung – und will Gelder aus nachrichtenlosen Konten nutzen. Schätzungen zufolge könnten so bis zu neun Milliarden Euro frei werden.

Das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (Send e.V.) lobt die kommende Bundesregierung für ihr Vorhaben, soziale Innovationen fördern zu wollen.

Währenddessen sind viele weitere gute Startups in Deutschland pleite gegangen

Beispiele sozial orientierter Start-ups mit Insolvenz

Einige sozial engagierte Start-ups, die in den letzten Jahren Insolvenz anmelden mussten, sind:​

  • Sirplus: Ein Berliner Unternehmen, das sich auf den Verkauf geretteter Lebensmittel spezialisiert hatte, meldete im Januar 2024 Insolvenz an.

  • Mika: Ein HealthTech-Start-up, das eine digitale Begleitung für Krebspatient:innen entwickelte, geriet Ende 2024 in finanzielle Schwierigkeiten​

  • Perfeggt: Ein Unternehmen, das eine vegane Ei-Alternative anbot, wurde im Februar 2024 liquidiert .​

Startups, die im ersten Quartal 2025 gescheitert sind

Lilium
Der Flugtaxi-Entwickler Lilium schlitterte Ende Februar erneut in die Insolvenz. Erst wenige Wochen zuvor war die spektakuläre Rettung des gescheiterten Unternehmens verkündet worden. Das deutsch-amerikanische Investorenkonsortium Mobile Uplift Corporation (MUC) wollte das Unternehmen nach der ersten Insolvenz weiterführen. Die rettende Finanzspritze blieb jedoch aus. Der Münchner Lufttaxi-Hersteller, 2015 gegründet, sammelte in den vergangenen Jahren rund 1,5 Milliarden Euro ein. Mehr über Lilium

Element
Das millionenschwere Berliner InsurTech Element, eine “White-Label-Produktfabrik für Versicherungen” schlitterte im Januar in die Insolvenz. Ein “bedeutender Rückversicherer soll sich zurückgezogen haben”, hieß es damals beim Handelsblatt zu den Hintergründen für die Insolvenz. In den vergangenen Jahren flossen rund 150 Millionen Euro in das Unternehmen, das 2017 von FinLeap angeschoben wurde. Das Versorgungswerk Zahnärztekammer Berlin (VZB) und Alma Mundi investierten zuletzt noch 50 Millionen Euro in die Jungfirma. Ursprünglich wollte das Unternehmen, das von der ehemaligen Axa-Managerin Astrid Stange geführt wird, in der letzten Investmentrunde rund 100 Millionen einsammeln. Was im Frühjahr des vergangenen Jahres aber nicht umsetzbar war. Mehr über Element

Kenbi
Das Berliner Pflege-Startup Kenbi schlitterte Ende März in die Insolvenz. Das Unternehmen betreut derzeit rund 2.500 Pflegebedürftige an rund 50 Standorten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Brandenburg. Kenbi, von Clemens Raemy, Katrin Alberding und Bruno Pires in Düsseldorf gegründet, digitalisiert seit 2019 die Pflegebranche. Dabei geht es um die Entlastung des Pflegepersonals durch Technologie. Vom technischen Element nimmt die Jungfirma nun aber erst einmal Abstand. SPFF Holding, das Investmentvehikel der Familie Flick, Helsana HealthInvest und Achmea Innovation Fund investieren im Rahmen einer Series-B-Investmentrunde zuletzt eine ungenannte Summe in Kenbi. Endeavour Vision, Mutschler Ventures, Redalpine, Heartcore, Headline und Partech investierten zuvor bereits 30 Millionen Euro in das Unternehmen. Mehr über Kenbi

RightNow
Das millionenschwere Düsseldorfer LegalTech RightNow schlitterte Ende Febraur in die Insolvenz. “Aufgrund des Ausbleibens der Finanzierungsquellen für das ursprüngliche Geschäftsmodell war die Insolvenz unumgänglich”, sagte RightNow-Gründer Phillip Eischet zur Insolvenz. Das Unternehmen, 2017 von Torben Antretter, Phillip Eischet und Benedikt Quarch gegründet, setzte auf sogenanntes Consumer Claims Purchasing und kaufte dabei Kunden Rechtsansprüche – etwa gegen Fluggesellschaften – ab. Die Finanzierung erfolgte dabei über Fremdkapital. Zu den Investoren von RightNow gehörten in der Vergangenheit insbesondere VR Ventures, seed + speed Ventures sowie der luxemburgische Fonds EPI und ein Schweizer Private-Equity-Fonds. Mehr als 33 Millionen Euro (Eigen- und Fremdkapital) sammelten die Rheinländer bisher ein. Mehr über RightNow

Homelike
Der Kölner Business Apartments-Marktplatz Homelike gab im März auf. Das Unternehmen stand zuvor schon einmal vor dem Aus und konnte nur durch eine Einigung über eine “zusätzliche Finanzierung” den bereits gestellten Insolvenzantrag zurückziehen. Anfang 2025 folgte dann ein erneuter Insolvenzantrag. Die Rheinländer fusionierten im Mai 2023 mit dem britischen Unternehmen QGN. Im Zuge der Fusion (QGN hielt zuletzt die Mehrheit an Homelike) war damals von einer “beträchtlichen achtstelligen Investition” in Homelike die Rede. Homelike, 2014 von Dustin Figge und Christoph Kasper (beide lange nicht mehr an Bord) gegründet, erwirtschaftete zuletzt einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 4,8 Millionen (Vorjahr: 6,9 Millionen). Insgesamt kostete der Aufbau bis Ende 2022 rund 33 Millionen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen rund 33 Millionen eingesammelt. Mehr über Homelike

Jucr
Das Berliner Lade-Startup Jucr schlitterte im Februar in die Insolvenz. Das junge Unternehmen, 2020 von Richard Birich, Max Grollmann und Lukas Puls gegründet, verspricht seinen Nutzer:innen “unkomplizierten Zugang zu europaweit 330.000 Ladepunkten für Elektroautos”. Vector Venture Capital, 2bX sowie der German Media Pool (GMPVC) investierten zuletzt 6,2 Millionen Euro in Jucr. Zudem nahm das Unternehmen 25 Millionen Euro Fremdkapital auf. Insgesamt flossen knapp 33 Millionen in das Unternehmen. Mehr über Jucr

FreewayCamper
Das Münchner Camping-Startup FreewayCamper, das zuletzt mit dem tschechischen Wettbewerber Campiri fusionierte, schlitterte im März in die Insolvenz. FreewayCamper, 2019 gegründet, positioniert sich als Buchungsplattform für die boomende Campingbranche. “In den letzten Monaten haben wir alle Herausforderungen einer schwierigen Markt- und Wirtschaftslage erlebt. Trotz unserer intensiven Bemühungen, den anhaltenden makroökonomischen Herausforderungen zu begegnen, mussten wir leider feststellen, dass diese Situation nicht ohne Auswirkungen auf unser Unternehmen geblieben ist”, teilte das Unternehmen zur Insolvenz mit. Rockaway Ventures, die FlixBus-Gründer und Bridge to Growth (BTG) investierten zuletzt 30 Millionen Euro (Eigen- und Fremdkapital) in FreewayCamper. Mehr über FreewayCamper

Doctorly
Das Berliner Startup Doctorly, das auf eine Software für Arztpraxen setzt, schlitterte Ende März in die Insolvenz. Simon Capital, Geschwister Oetker Beteiligungen und UNIQA ventures investierten zuletzt 7,2 Millionen US-Dollar in das Berliner Startup, 2018 gegründet. Well Health Technologies, Horizons Ventures, The Delta, Speedinvest, UNIQA Ventures, Calm/Storm und Seedcamp investierten zuvor zudem 10 Millionen US-Dollar in das Unternehmen. “MedizinerInnen sind gegenüber der Digitalisierung sehr aufgeschlossen. Ihre obligatorische, zentrale Praxissoftware ist allerdings auf dem Stand der 90er. Diese Silo-Strukturen sind das größte Hindernis für Innovationen im Bereich der medizinischen Grundversorgung”, sagte Gründer Teicke 2023 zum Konzept hinter doctorly. Mehr übe doctorly

ReActive Robotics
Das Münchner Unternehmen Reactive Robotics, 2015 gegründet, schlitterte im Februar in die Insolvenz. Das Unternehmen entwickelt ein “intelligentes Assistenzsystem, das die Frühmobilisierung von Intensivpatienten unterstützt”. In den vergangenen Jahren flossen mehr als 10 Millionen in den Assistenz-Roboter – unter anderem von Bayern Kapital, High-Tech Gründerfonds (THGF), Dr. Doll und TQ Group. 2022 wirtschaftete das Unternehmen profitabel. Mehr über Reactive Robotics